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Poesie + Film: Das Schreiben und das Schweigen

Posted in Friederike Mayröcker by Heiko Strunk on 13. October 2010

Am 14. Oktober 2010 kommt der Dokumentarfilm DAS SCHREIBEN UND DAS SCHWEIGEN von Carmen Tartarotti ins Kino, welcher vom Leben und Schaffen der österreichischen Schriftstellerin Friederike Mayröcker erzählt. Und ich möchte nicht versäumen, diesen großartigen Film all jenen zu empfehlen, die, wie Mayröcker selbst, von der Magie der Sprache begeistert sind.

Und das gleichwohl sie zu Beginn des Films resp. der Dreharbeiten festlegt: “Ich hab’ gedacht es soll ein Film über das Schweigen werden. Das Schreiben und das Schweigen. Aber wie macht man das dann? Vielleicht ist es bei anderen Autoren so, dass sie beim Sprechen andere Sachen hervorholen aus ihrem Hirn, während ich nichts hervorholen kann. Ich mag nicht sprechen! Und auf dieser Grundlage werden wir unseren Film aufbauen. Das machen wir!”

Und doch erfährt man in diesem Film so einiges über Friederike Mayröcker, nicht nur über die Autorin, sondern über den Menschen, ganz nebenbei, allein weil man dabei ist, wenn sie Dinge tut, und sieht, mit wie viel Achtung und Liebe sie diese Dinge angeht.
Wir wohnen als Zuschauer ihren Lesungen bei, folgen ihr ins Ernst Jandl Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek, sitzen mit ihr über alten Fotoalben, sehen sie beim schmerzhaften Zusammenstellen von Gedichtvorarbeiten & Notizen für den‚Vorlaß’, den sie bereits der Stadt- und Landesbibliothek in Wien zugesichert hat, und fühlen mit, wenn sie die Sonne verflucht und den Regen herbeisehnt, der ihr allein das Schreiben ermöglicht.

Für Mayröcker ist die Realität voller Poesie, und ebenda findet Tartarotti die adäquaten subtilen und poetischen Bilder, die dem zurückgenommenen Sprachduktus der Autorin entsprechen. Mayröckers reduziertes Sprechen klärt das Wesentliche und bringt es dabei immer wieder trefflichst auf den Punkt. ‚Die Realität aufschreiben, das Surreale darüber verstreuen, so funktioniert das mit dem Gedichte schreiben.
Und die Frage nach einem außerliterarischen Sinn ihrer mitunter hermetischen Texte beantwortet sie so, wie es vermutlich auch ein altersweiser ZEN oder Yoga Meister getan hätte: ‚Was nicht verstanden wird, bleibt halt offen.’

Wer immer schon einen Blick in die legendären, mit Papier und Text vollgestopften Wohnungen von Mayröcker und Jandl werfen wollte, darf auch das in diesem Film einmal ungeniert tun.

EJ – englisch ausgesprochen klingt es bei Mayröcker eher wie DJ – ist in seiner Abwesenheit, wenn wundert’s , durchgängig präsent, und damit zugleich auch ihrer beider Bindung und Liebe. Das Gespräch mit ihm, dem Gegengewicht ihres Daseins, ahnt man, führt sie fort. Selten hat mich ein Liebesbeweis stärker angerührt als ihr selbstversunkenes Eingeständnis ‚Ich würde alles für dich tun, wenn du nur lebtest.
Doch diese ungeheure Sehnsucht nach dem verstorbenen Lebenspartner bleibt eine ganz und gar diesseitige, wird gekontert von einem anderen ebenso kraftvollen Bekenntnis: ‚Ich leb ja so gerne, so wahnsinnig gerne.

Und vielleicht ist es gerade dieses Spannungsverhältnis zwischen sehnsuchtsvoller Trauer und intensivem Lebenswillen, das den Film so leicht und so gehaltvoll macht.

DAS SCHREIBEN UND DAS SCHWEIGEN
Deutschland 2010, 90 Min., 35 mm, Regie: Carmen Tartarotti.

Kinostart: 14. Oktober 2010
Mehr Infos zum Film finden Sie unter
das-schreiben-und-das-schweigen.realfictionfilme.de

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2 Responses

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  1. Carmen Tartarotti said, on 15. October 2010 at 19:16

    Vielen Dank für Ihre schöne Kritik zum Film “Das Schreiben und das Schweigen”. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Carmen Tartarotti

  2. David Bishop said, on 17. October 2010 at 19:23

    Apparently I need to work my Deutsch for this post.


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